Mittwoch, 16. September 2009

Russland: die Pünktchen auf dem "e"

Russisch-Lernende wissen von dem Problem ein Lied zu singen: sowohl für den Buchstaben е, sprich je, als auch für den Buchstaben ё, sprich jo, wird im Alltag das e benutzt. Dies führte jedoch nicht nur zu Problemen bei der Aussprache einzelner Wörter: Menschen, die ein jo im Nachnamen führten, sahen sich in Russland der Gefahr bürokratischer Probleme ausgesetzt, wenn dieser in unterschiedlichen Dokumenten mal mit ё und mal mit e geschrieben wurde. Dies konnte sogar bis zu einer Verweigerung von Rentenansprüchen gehen. Der oberste Gerichtshof der Russländischen Föderation zog nun laut einem Bericht der Rossijskaja Gazeta einen Schlußstrich unter die Debatte um die Pünktchen auf dem e, indem er deren Schreibung für nicht verbindlich erklärte.

Donnerstag, 2. Juli 2009

Länderbericht Polen: Geschichtsdebatten am Ende der Gutenbergperiode nur noch drittrangig?


Beinahe 700 Seiten ist der von der Bundeszentrale für politsche Bildung erschienene Länderbericht Polen stark, den die Herausgeber Dieter Bingen und Krzysztof Ruchniewicz am Donnerstag in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz in Berlin vorstellten. Hätte man auf die zahlreichen Karikaturen, die oft mehr als viele Worte sagten, verzichtet, wäre er noch dicker geworden, merkte Dieter Bingen scherzhaft an. Bingen legte auch Wert auf die Feststellung, daß etwas mehr als die Hälfte der Autoren, die Beiträge zu Polens Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Bildung, Kultur sowie der Rolle des Landes im internationalen System verfaßten, aus Polen selbst stammten. Mitherausgeber Ruchniewicz spann den Gedanken weiter – der interessierte Leser könne sich fragen, was den polnischen Autoren wichtig gewesen sei, wie sie selbst ihr Land sehen würden. Eine Antwort auf diese Frage lautet: die Geschichtsdebatten, die im deutsch-polnischen Verhältnis immer wieder für lautstarke Irritationen sorgen, haben für das Selbstverständnis der Polen längst nicht den Stellenwert, um etwa dem Themenkomplex „Flucht und Vertreibung“ ein eigenes Kapitel zu widmen. Statt dessen taucht dieses Thema in unterschiedlichen Zusammenhängen im ganzen Buch auf.


Während die Herausgeber Wert darauf legten, in dem Länderbericht besonders Autoren zu versammeln, denen in Deutschland noch nicht dieselbe Aufmerksamkeit zuteil wird wie im Nachbarland, durfte bei der Buchpräsentation ein altbekanntes Gesicht des polnisch-deutschen Dialogs nicht fehlen. Adam Krzemiński, der sich daran erinnerte, in jüngeren Jahren bei der Bundeszentrale so manches Buch „abgestaubt“ zu haben, freute sich zunächst darüber, daß der Sammelband am „Ende der Gutenbergperiode“ dennoch in einer Auflage von knapp 10.000 Exemplaren erscheinen konnte. Während die Herausgeber die Frage des Moderators, welcher Beitrag sich denn zum Einstieg in den Wälzer am besten eigne, nicht so recht beantworten wollten, bezog Krzeminski klar Stellung: Fachleute sollten mit der Lektüre von hinten anfangen. Der Aufsatz von Kai-Olaf Lang unter dem Titel Vom Störenfried zur Gestaltungsmacht – Polen in der Europäischen Union erkläre viele aktuelle Probleme. Weiter empfahl Krzemiński das Kapitel zur Wirtschaft – einmal, weil man das Thema als „Nicht-Experte nicht überschaut“, aber auch, um alte Stereotype von der „polnischen Wirtschaft“ zu korrigieren. Wenig warme Worte fand der Historiker Krzemiński ausgerechnet für den Geschichtsteil und stimmte dann in den allgemeinen Tenor der Veranstaltung ein: für die Generation der heute 30- bis 40-jährigen sei der Geschichtsstreit nur noch drittrangig.

Montag, 27. April 2009

Polen: Adlige Namensprobleme

Was hat der FDP-Politiker und Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Hermann Otto Solms, mit Róża Thun, gegenwärtig Leiterin der Vertretung der Europäischen Kommission in Polen, gemeinsam? Antwort: Beide haben einen Namen in ihrem Paß, der wesentlich länger ist als der, unter dem sie in der Öffentlichkeit bekannt sind.


In Hessen, wo Solms bei Bundestagswahlen regelmäßig auf der Landesliste für die Freien Demokraten antritt, dürfte schon so mancher Wähler beim Kreuzchenmachen gestutzt haben: Der volle Name des Politikers, wie er auf dem Wahlzettel steht, lautet Hermann Otto Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich. Der Name ist ein bißchen sperrig und wird daher von Solms beispielsweise auf seiner Webseite auch nicht verwendet.


Róża Thun kandidiert in diesem Jahr in Polen bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für die Platforma Obywatelska (PO). Gerne würde sie dies auch unter ebenjenem Namen tun. Doch die Wahlbehörde PKW besteht auf vollständiger Namensnennung, was in ihrem Fall bedeutet: Róża Maria Gräfin von Thun und Hohenstein.


Abgesehen davon, daß sie den Wählern schlicht und einfach als Róża Thun bekannt sei, treibt die geborene Woźniakowska, die ihren Nachnamen Ehemann Franz Graf von Thun und Hohenstein verdankt, mütterlicherseits aber ebenfalls adlige Vorfahren hat, eine weitere Sorge um: Da ihr Name für den Wahlzettel zu lang sei, könnte er in kleinerer Schrift gedruckt werden.


Eins jedoch, versichert Thun, bereite ihr keine Sorgen: Daß der deutsch klingende Nachname sie Stimmen bei Wählern mit antideutschen Ressentiments kosten könne – auch Thun alleine klinge weder polnisch noch sonst irgendwie slawisch, aber das habe ihr nie Probleme gemacht. Doch die Wahlbehörde beharrt auf ihrem Standpunkt, auch wenn Róża Thun geltend macht, 1998 schon einmal unter der Kurzform ihres Namens bei Wahlen angetreten zu sein.


Danke an J. I. für den Hinweis!

Dienstag, 7. April 2009

Auseinandersetzungen in Moldawien

Zwei aktuelle Videos von den Demonstrationen in der moldawischen Hauptstadt Chisinau, bei denen es zu Zusammenstößen von Polizei und Demonstranten kam. Die Demonstranten werfen der Kommunistischen Partei von Präsident Vladimir Voronin Wahlfälschungen vor.



Samstag, 4. April 2009

Kasan wird dritte Hauptstadt Rußlands

Kasan, die Hauptstadt der Republik Tatarstan, kann sich nun offiziell „Dritte Hauptstadt Rußlands“ nennen. Wie die Tageszeitung Kommersant berichtet, ließ die Wolgametropole diesen Titel beim Patentamt auf Russisch in den Varianten „Dritte Hauptstadt“, „Dritte Hauptstadt Rußlands“, „Dritte Stadt“ sowie „Dritte Stadt Rußlands“ als Markenzeichen registrieren. Nebenbei wurde auch noch die englische Entsprechung „ Russia`s third capital“ gesichert. Den Titel der dritten Hauptstadt hatte zuvor auch Nischni Nowgorod für sich beansprucht. Als die ersten beiden Hauptstädte Rußlands gelten Moskau und Sankt Petersburg.

Montag, 23. März 2009

Estland: Problem mit Vorhängeschlössern

Vorhängeschlösser, die am Geländer einer Brücke im estnischen Tartu befestigt sind, sollen dort an Ereignisse wie Hochzeiten erinnern. Wie Postimees berichtet, forderten die Behörden nun jedoch zur Entfernung der Schlösser auf. Der Grund: Verrostete Vorhängeschlösser würden die Metallkonstruktion beschädigen. Wer den Schlüssel für sein Schloß verloren hat, dem schickt die Stadt Arbeiter mit Metallsägen zur Hilfe. Und nach den Reperaturarbeiten an der Brücke im Mai soll das Anbringen von Vorhängeschlössern am Geländer gleich ganz verboten werden.

Samstag, 14. März 2009

Tatarstan und der Iran

Seit November 2007 besteht in Kasan ein Generalkonsulat der Islamischen Republik Iran. Dabei handelt es sich neben dem türkischen Generalkonsulat um die einzige Vertretung eines ausländischen Staates in der Republik Tatarstan, einer Teilrepublik der Russländischen Föderation. Die Beziehungen zwischen Tatarstan und dem Iran werden von einem Artikel auf Rosbalt analysiert.


Ein wichtiger Bereich der Zusammenarbeit zwischen Tatarstan und dem Iran ist die Wirtschaft, wo vor allem im Erdölbereich gemeinsame Projekte durchgeführt werden. Daneben erstreckt sich der Austausch aber auch auf die Bereiche Kultur und Religion. Dabei besteht zwischen den muslimischen Bevölkerungsgruppen Tatarstans und des Irans ein gewichtiger Unterschied: während in Tatarstan überwiegend sunnitische Moslems leben, hängt die Mehrzahl der Gläubigen im Iran der schiitischen Richtung an. Kann das Interesse des Irans an Rußlands Muslimen zu deren „Schiitisierung“ führen? Der Historiker Damir Ischakow hält dies für ausgeschlossen. Die Unterschiede zwischen den Kulturen seien einfach zu groß.

Montag, 2. März 2009

Rumänien: Vor Gericht wegen Brückenbau

Acht Monate warteten die Bewohner der kleinen Ortschaft Marginea im rumänischen Kreis Suceava, nachdem Hochwasser eine Brücke beschädigt hatte und die Einwohner damit von ihrer Umgebung abschnitt. Wie hotnews.ro berichtet, verloren sie schließlich die Geduld mit immer neuen Versprechungen der Behörden und bauten schließlich innerhalb eines Tages die Brücke selber. Dies bringt nun die Bewohner in juristische Schwierigkeiten: wegen fehlender Baugenehmigung wurde gegen sie Anklage erhoben. Dagegen regt sich Protest im Internet, eine Petition zugunsten der „Brückenbauer“ wurde bereits mehr als 1.000 mal unterzeichnet.


Freitag, 27. Februar 2009

Ukrainischer und georgischer Minister geben Pressekonferenz auf Russisch

Sprache ist im postsowjetischen Raum hochpolitisch. Und so ist es Novyj Region eine eigene Meldung wert, daß die Außenminister der Ukraine und Georgiens eine gemeinsame Pressekonferenz auf Russisch abhielten. Die beiden Minister verwiesen auf praktische Gründe: man habe nur 15 Minuten Zeit und wolle die Zeit für Übersetzungen verkürzen.

Medwedew will gleichmäßige Berichterstattung über Parteien

Ein von Präsident Dmitrij Medwedew in die Staatsduma eingebrachtes Gesetzesprojekt soll allen Parteien im Parlament eine gleichmäßige Berichterstattung durch die staatlichen Medien garantieren. Wie Rosbalt berichtet, sieht der Gesetzentwurf vor, daß im Laufe eines Kalendermonats öffentliche Medien in gleichem Umfang über alle in der Duma vertretenen Parteien berichten müssen. Die Kontrolle hierüber soll der Zentralen Wahlkommission der Rußländischen Föderation obliegen. In der Vergangenheit war die Bevorzugung der Regierungspartei Jedinaja Rossija durch staatliche Medien immer wieder Gegenstand der Kritik gewesen. Fraglich bleibt aber zunächst, inwieweit auch die nichtparlamentarische Opposition in Rußland von Medwedews Vorschlag profitieren kann.

Wird Moskau eine Stadt der Fahrradfahrer?

Bisher ist Moskau wahrlich keine Hauptstadt der Fahrradfahrer. Die Zeitung Nowye Izweztija rechnete ihren Lesern nun vor, daß auf einen Einwohner der Metropole ein Viertelmillimeter Fahrradweg entfalle – bei einer Gesamtlänge von 2,5 Kilometern. Der entspechende Wert für die finnische Hauptstadt Helsinki beträgt danach bis zu einem Meter. Und weiter schreibt die Zeitung von Fahrradparkplätzen in Amsterdam, die Platz für 20.000 Fahrräder bieten würden – während dieses Konezpt in Moskau noch völlig unbekannt sei.


Dies könnte sich nun ändern, jedenfalls, wenn es nach dem Willen des russischen Fahrradfahrerverbandes geht. Dieser wirbt damit für den Umstieg auf den Drahtesel, daß ein Fahrradfahrer in den vom Stau verstopften Straßen Moskaus für fünf Kilometer nur 16 Minuten benötige, ein Autofahrer dagegen 44. Außerdem sei Fahrradfahren gesünder. Ein weiteres Argument könnte sich jedoch in Zeiten der Wirtschaftskrise, die Rußland besonders hart trifft, als noch schlagkräftiger erweisen: der Kostenfaktor. Die Durchschnittskosten für die Nutzung eines Fahrrads veranschlagt der Klub auf 25 Dollar pro Monat gegenüber 150 Dollar für ein Auto.


Mit einem Vorurteil wollten die Fahrradaktivisten gerne aufräumen: Daß das russische Klima einfach nicht geeignet zum Fahrradfahren wäre, sei ein Mythos. Wen dies noch nicht überzeugt, der kann im Internet zunächst in einem russischen Fahrradmagazin unter dem Titel pro Velo stöbern.

Montag, 9. Februar 2009

Medwedew will Rotation für Parteiführer

Nowyje Izwestija“ berichtet von einem Gesetzesprojekt, das Russlands Präsident Dmitrij Medewedew am vergangenen Samstag in die Staatsduma einbrachte. Danach soll einerseits die minmal erforderliche Mitgliederzahl für die Registrierung einer Partei schrittweise gesenkt, andererseits für die Parteiführung das Prinzip der Rotation eingeführt werden.


Für die Neuregistrierung politischer Parteien sollen anstelle von 50.000 Mitgliedern zunächst nur noch 45.000, später 40.000 erforderlich sein. Allerdings wurde diese Hürde zuvor von 10.000 auf 50.000 angehoben. Von den vier in der Staatsduma vertretenen Parteien dürften von der zweiten geplanten Änderung, der Rotation in der Parteispitze, vor allem die Kommunisten betroffen sein. Denn der Gesetzestext sieht die Begrenzung auf zwei Amtszeiten für „Führer eines kollegialen, beständig arbeitenden Organs einer Partei oder ihrer regionalen Abteilung“ vor. Diese Definition trifft auf Gennadij Sjuganow zu, der als Vorsitzender eines kollegialen Organs, des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei seit 1993 im Amt ist. Seine Kollegen Wladimir Putin von „Jedinaja Rossija“, Wladimir Schirinowskij von der LDPR sowie Sergej Mironow von „ Gerechtes Russland“ tragen den Titel eines Parteivorsitzenden und könnten ihr Amt somit weiter zeitlich unbegrenzt ausüben. Betroffen wäre allerdings auch Boris Gryslow, der dem Obersten Rat von „ Jedinaja Rossija“ vorsteht.



Montag, 19. Januar 2009

Moskauer Zoo: Anstehen auch für Beamte und Polizisten

Der estnische Journalist Jaanus Piirsalu veröffentlicht in seinem Blog ein Foto aus dem Moskauer Zoo. Die Aufschrift besagt, daß auch Mitarbeiter des Geheimdienstes FSB und verschiedener anderer Sicherheitsorgane sowie Beamte nach den allgemeinen Regeln Eintrittskarten erwerben müssen.

Mittwoch, 14. Januar 2009

Turkmenistan: ein Buch und die Konzerne

„Billiger war Korruption wohl selten zu haben“ heißt es im Tagesspiegel anläßlich Arto Halonens Film "Ruhnama - Im Schatten des Heiligen Buches". Der Film wurde am gestrigen Dienstag im Berliner Zeughauskino im Rahmen des „ueber Macht“-Filmfestivals gezeigt. Er zeigt, wie internationale Konzerne das obskure Buch „Ruhnama“ des inzwischen verstorbenen turkmenischen Staatschefs Saparmyrat Nyýazow, besser bekannt als „Türkmenbaşy“ (Führer der Turkmenen) übersetzten. Dies sicherte unter anderem DaimlerChrysler lukrative Aufträge in dem rohstoffreichen zentralasiatischen Staat. Andererseits dienten diese internationalen Übersetzungen in Turkmenistan der Festigung des Personenkultes um Nyýazow. Beide Seiten schummelten ein wenig: die turkmenische Führung übertrieb gegenüber ihrem Volk das Ansehen, das Nyýazows Buch im Ausland genoß, die westlichen Firmen bemühten sich hingegen, die Übersetzungen in ihren eigenen Ländern nicht an die große Glocke zu hängen. Dementsprechend stießen die Filmemacher bei ihren Interviewwünschen immer wieder auf verschlossene Türen in den Konzernzentralen.


An der anschließenden Podiumsdiskussion nahm unter anderem auch der im Film gezeigte turkmenische Menschenrechtsaktivist Ruslan Tuhbatullin teil. Er zeigte sich pessimistisch über die Aussichten auf eine Änderung der politischen Verhältnisse in Turkmenistan für die nahe Zukunft. Einzelne kritische Stimmen aus dem Publikum warfen die Frage auf, ob es nicht zu kurz gegriffen sei, die Konzerne für ihre Geschäfte mit Turkmenistan zu kritisieren, ohne die Rolle der Politik zu hinterfragen. Ein einzelner Zuschauer, der laut eigener Aussage seit zwanzig Jahren Geschäftskontakte nach Nordkorea unterhält, empfand die westliche Herangehensweise an die Situation in Turkmenistan als vollkommen naiv, da sie außer acht lasse, daß das dortige System nicht auf einer einzelnen Führerpersönlichkeit basiere, sondern wesentlich tiefere gesellschaftliche Wurzeln habe. Auf seine Frage, was die Veranstaltung bezwecken solle, antwortete Mieste Hotopp-Riecke von der „Gesellschaft für bedrohte Völker“, daß schon das Informieren über die Situation in Turkmenistan sowie die Diskussion hierüber einen Wert darstelle. Und auch Tuhbatullin sah in der Verbreitung von Nachrichten aus seinem abgeschotteten Heimatland – bis vor kurzem soll es dort keinen öffentlichen Internetzugang gegeben haben – eines seiner wichtigsten Anliegen.