Beinahe 700 Seiten ist der von der Bundeszentrale für politsche Bildung erschienene Länderbericht Polen stark, den die Herausgeber Dieter Bingen und Krzysztof Ruchniewicz am Donnerstag in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz in Berlin vorstellten. Hätte man auf die zahlreichen Karikaturen, die oft mehr als viele Worte sagten, verzichtet, wäre er noch dicker geworden, merkte Dieter Bingen scherzhaft an. Bingen legte auch Wert auf die Feststellung, daß etwas mehr als die Hälfte der Autoren, die Beiträge zu Polens Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Bildung, Kultur sowie der Rolle des Landes im internationalen System verfaßten, aus Polen selbst stammten. Mitherausgeber Ruchniewicz spann den Gedanken weiter – der interessierte Leser könne sich fragen, was den polnischen Autoren wichtig gewesen sei, wie sie selbst ihr Land sehen würden. Eine Antwort auf diese Frage lautet: die Geschichtsdebatten, die im deutsch-polnischen Verhältnis immer wieder für lautstarke Irritationen sorgen, haben für das Selbstverständnis der Polen längst nicht den Stellenwert, um etwa dem Themenkomplex „Flucht und Vertreibung“ ein eigenes Kapitel zu widmen. Statt dessen taucht dieses Thema in unterschiedlichen Zusammenhängen im ganzen Buch auf.
Während die Herausgeber Wert darauf legten, in dem Länderbericht besonders Autoren zu versammeln, denen in Deutschland noch nicht dieselbe Aufmerksamkeit zuteil wird wie im Nachbarland, durfte bei der Buchpräsentation ein altbekanntes Gesicht des polnisch-deutschen Dialogs nicht fehlen. Adam Krzemiński, der sich daran erinnerte, in jüngeren Jahren bei der Bundeszentrale so manches Buch „abgestaubt“ zu haben, freute sich zunächst darüber, daß der Sammelband am „Ende der Gutenbergperiode“ dennoch in einer Auflage von knapp 10.000 Exemplaren erscheinen konnte. Während die Herausgeber die Frage des Moderators, welcher Beitrag sich denn zum Einstieg in den Wälzer am besten eigne, nicht so recht beantworten wollten, bezog Krzeminski klar Stellung: Fachleute sollten mit der Lektüre von hinten anfangen. Der Aufsatz von Kai-Olaf Lang unter dem Titel Vom Störenfried zur Gestaltungsmacht – Polen in der Europäischen Union erkläre viele aktuelle Probleme. Weiter empfahl Krzemiński das Kapitel zur Wirtschaft – einmal, weil man das Thema als „Nicht-Experte nicht überschaut“, aber auch, um alte Stereotype von der „polnischen Wirtschaft“ zu korrigieren. Wenig warme Worte fand der Historiker Krzemiński ausgerechnet für den Geschichtsteil und stimmte dann in den allgemeinen Tenor der Veranstaltung ein: für die Generation der heute 30- bis 40-jährigen sei der Geschichtsstreit nur noch drittrangig.