Sonntag, 23. November 2008

Wohin geht Belarus?

Ein Artikel auf der weißrussischen Seite „Nasche Mnenie“ (Unsere Meinung) unter der Überschrift „Warum der Kurs geändert wird“ zählt drei Elemente auf, die zusammengenommen erlauben, von einer Tendenz zum Richtungswechsel in der Politik von Belarus zu sprechen. Dies sind: eine Liberalisierung der Wirtschaftspolitik, der Beginn einer Normalisierung in den Beziehungen zur Europäischen Union sowie eine Veränderung in der Art und Weise der Rechtfertigung des Regimes. In der Staatsideologie werde, statt wie früher an die sowjetische Vergangenheit und das Bündnis mit Rußland zu appellieren, der Akzent nun auf die Stabilität als Resultat der Tätigkeit des Präsidenten sowie auf die Festigung der Souveränität gelegt. Als Ursachen werden von Experten gewöhnlich drei hauptsächliche Gründe angeführt: wirtschaftliche Schwierigkeiten, die Abkehr Rußlands von einer Politik der Subventionen an Weißrußland sowie eine Stärkung der Position der Nomenklatura, die danach strebt, Macht in Besitz umzuwandeln.

Demgegenüber argumentiert der Artikel, daß die Hauptursache für den Kurswechsel in einer Veränderung der sozialen Basis der Unterstützung für das Regime Lukaschenkos liege. Die Wähler Lukaschenkos im Jahre 1994 hätten sich aus den unteren sozialen Schichten der Bevölkerung rekrutiert, denen es nicht gelang, sich an die neuen ökonomischen Bedingungen anzupassen. Demgegenüber habe der Nachfrageboom sowie die steigenden Gehälter in den Jahren 2003 bis 2008, ausgelöst durch „Öldollars“, dazu geführt, daß Lukaschenko von der nun entstehenden Mittelklasse unterstützt wurde: „aus der charismatischen Unterstützung des Präsidenten wurde eine rationale.“ Während die Hochburg der Opposition in den 90er Jahren in Minsk gelegen habe, die Unterstützer Lukaschenkos dagegen aus der Provinz kamen, habe sich die Situation gewandelt. Das Protestpotential sei heute in der Provinz und in Kleinstädten höher als in der Hauptstadt und in Großstädten.

Lukaschenko wird als Geisel dieser Entwicklung bezeichnet. Die Schritte, die er unternimmt, um seiner neuen Wählerschaft entgegenzukommen, könnten eine Eigendynamik entwickeln und sich gegen ihn selbst wenden. Die Finanzkrise erschwert es, den Ansprüchen der Mittelschicht entgegenzukommen, wirtschaftliche Freiheiten könnten in den Ruf nach politischen Freiheiten münden, die Nomenklatur könnte zu einer eigenständigen politschen Kraft werden und ein oligarchisches System entstehen. Am Ende zeigt der Artikel zwei Perspektiven für die weitere Entwicklung auf: Lukaschenko könnte zu einem weißrussischen Gorbatschow werden, der Reformen zur Stärkung des Systems initiiert, aber das gegenteilige Resultat erreicht. Demgegenüber stünde das chinesische Modell einer „Reform von oben“ .

Alisa-Sänger verteidigt Krieg gegen Georgien

In einem Interview mit der russischen Zeitung Izwestija hat der Sänger der Band „ Alisa“ , Konstantin Kintschew, den russischen Krieg gegen Georgien verteidigt. Damit distanzierte Kintschew sich gleichzeitig von seinem Musikerkollegen Jurij Schewtschuk von der Gruppe „ DDT“, der mit der Parole „Schieß nicht!“ aufgetreten war. „Schieß nicht!... Schieß nicht auf wen, an wen ist das gerichtet?“ fragte Kintschew. „ Schieß nicht – im Sinne von hilf nicht etwa, rette nicht, strecke nicht deine Hand zur Hilfe aus?“ Hätte der russische Staat nicht geholfen, hätte das ossetinische Volk als Ethnos verschwinden können, so Kintschew.


Der Sänger der in Rußland populären Gruppe bekennt sich seit 1992 zum orthodoxen Christentum. Religiöse sowie patriotische Themen spiegeln sich seither auch in den Liedern von „Alisa“. Im Juni hatte Kintschew mit den Worten „Kosovo ist das Herz Serbiens und die Krim gehört zu Rußland“ in der Izwestija ein Konzert zur Unterstützung Serbiens in Belgrad angekündigt.

Samstag, 22. November 2008

Estland: "Nachtwache" führt Befragungen über Autonomie durch und möchte bei Wahlen antreten

Wie das „Eesti Päevaleht“ berichtet, führt die russischsprachige Organisation „Nachtwache“ (russ. Notschnoj Dozor, estn. Öine Vahtkond) derzeit Befragungen von Passanten über die Notwendigkeit einer territorialen Autonomie für die russischen Einwohner Estlands durch. Derlei Befragungen fanden bereits in den überwiegend russischsprachigen Städten Narva und Kohtla-Järve im Nordosten Estlands statt, außerdem im Tallinner Stadtteil Lasnamäe. Nach Angaben eines Sprechers plant die Bewegung, im kommenden Jahr sowohl bei den Europa- als auch bei den Lokalwahlen anzutreten. Die Befragungen dienten dem Zweck, Losungen für diese Wahlen zu entwerfen.

Freitag, 21. November 2008

Tatarischer Präsident kritisiert Einschränkung des muttersprachlichen Unterrichts

Wie rosbalt.ru berichtet, hat sich der Präsident der russischen Teilrepublik Tatarstan, Mintimer Schajmijew, offen gegen bereits beschlossene Änderungen in der Bildungspolitik in Rußland gestellt. Nach einem Gesetz, das am 1. September 2009 in Kraft tritt, wird die national-regionale Komponente des Schulunterrichts, darunter der Unterricht in Minderheitssprachen wie Tatarisch, eingeschränkt. Schajmijew sieht darin einen Verstoß gegen die Verfassung und will das Verfassungsgericht anrufen, sollte das Gesetz nicht geändert werden.

Donnerstag, 20. November 2008

Einladung in die Höhle des Bären: Jedinaja Rossija schafft soziales Netzwerk

Anläßlich des gerade laufenden Parteitages von „Jedinaja Rossija“ startete heute in Rußland ein neues soziales Netzwerk im Internet. Neben Mitgliedern der Regierungspartei steht das Portal „Berloga“ auch Angehörigen und Sympathisanten sämtlicher Parteien Rußlands offen.


Auf die Namensgebung scheinen die Macher einige kreative Energie verwendet zu haben. Die Initalien der Partei, das kyrillische E (spriche „je“) und R, sind optisch hervorgehoben in das Wort „Blog“, um ein a ergänzt, eingeschoben. Übersetzt bedeutet Berloga „Bärenhöhle“ und spielt somit auf das Wappentier der Partei an.


Auf der Titelseite wird der Besucher von einem politischen Koordinatensystem der russischen Parteienlandschaft vor dem Hintergrund einer bunten Fahne begrüßt. Elf politische Parteien sind dort anhand der Kriterien „rechts“ und „links“ sowie „Radikalismus“ und „Konservatismus“ eingezeichnet. Dem Zentrum am nächsten, mit leichter Tendenz Richtung „rechts“ und „Konservatismus“, steht „ Jedinaja Rossija“.


Die Seite bietet ihren Benutzern an, Profile anzulegen, stellt Diskussionsforen für jede einzelne Partei zur Verfügung und sieht außerdem Videoblogs vor. Nur drei einfache Regeln werden auf der Titelseite formuliert. Zunächst soll die Meinung von Gegnern respektiert werden. Zweitens soll die Gesetzgebung der Russländischen Föderation beachtet und Extremismus sowie vulgäre Sprache vermieden werden. Der dritte Punkt ist schließlich ein Aufruf, eine „konsequente politische und staatsbürgerliche Position“ zu demonstrieren sowie sich „aufrichtig um das Wohl Rußlands“ zu sorgen.


Mit dem Portal scheint der Partei gleich in mehrerlei Hinsicht ein geschickter Schachzug gelungen zu sein. Zunächst ist sie in einem jungen Medium vertreten und kann sich davon erhoffen, gerade junge und gut ausgebildete Internetnutzer an sich zu binden. Sie gewinnt weiterhin an Terrain im Internet, das aufgrund der restriktiven Bedingungen für Radio, Fernsehen und Printmedien den letzten Rückzugsort für die politische Opposition darstellt. Dies tut sie nicht durch plumpe Zensur, die einerseits dem Image schaden könnte, andererseits aufgrund des Charakters des Mediums nur schwer effektiv sein kann. Stattdessen inszeniert sie sich als die Kraft, die sogar ihren politischen Gegnern Ressourcen zum Meinungsaustausch zur Verfügung stellt. Damit bestimmt sie allerdings auch die Spielregeln des Dialogs. Die Opposition in Rußland muß sich entscheiden, ob sie die Einladung in die Höhle des Bären annimmt.

Mittwoch, 19. November 2008

Medwedew schließt Direktwahl von Gouverneuren aus

Der russische Präsident Dmitrij Medwedew hat eine Rückkehr zur Direktwahl lokaler Gouverneure ausgeschlossen. Dies geht aus einem Artikel auf kommersant.ru hervor. Danach nannte Medwedew das derzeitige System der Ernennung von Gouverneuren „optimal und das einzig mögliche“. Diese kategorische Aussage steht in einem merkwürdigen Widerspruch zu im selben Artikel zitierten Aussagen Medwedews anläßlich der Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten der Russländischen Föderation auf sechs Jahre. Danach sei die Verfassung kein „von oben gegebener Kanon“. In der Verfassung müßten allein die Freiheitsrechte der Bürger stabil sein. Der Aufbau des politischen Systems hätte demgegenüber einen zweitrangigen Charakter.

Dienstag, 18. November 2008

Estland: Wählen per Handy ab 2011 möglich?

Nachdem Estland als erster Staat weltweit bereits das Wählen per Internet eingeführt hat, könnte ab 2011 eine weitere Möglichkeit der Stimmabgabe hinzukommen. Wie aus einem Bericht von postimees.ee hervorgeht, sprach sich die Grundgesetzkommission des estnischen Parlaments dafür aus, auch das Wählen mit dem Mobiltelefon zu ermöglichen. Pläne des Justizministeriums hatten zuvor vorgesehen, die Handy-Wahl bereits ab August 2009 einzuführen.