Im kapitalistischen Rußland erlebt die Sowjet-Nostalgie eine neue Blüte, wie kommersant.ru zu berichten weiß . Dabei geht es weniger um Ideologie, als um Erinnerungen an eine vermeintlich unbeschwerte Jugend.
Besonders bemerkbar macht sich der Trend im Bereich der Gastronomie. Cafés und Stehimbisse mit Namen wie „UdSSR“ oder „Freundschaft“ laufen erfolgreich. Besonderer Beliebtheit erfreut sich die klassische „ stolowaja“, die Kantine, die für preiswertes und gutes Essen steht. Die Geschäftsmodelle sind durchaus unterschiedlich. Während in Moskau mancherorts durch und durch unsozialistische Preise zu zahlen sind, dafür aber auch schon mal ein Striptease zum Dessert geordert werden kann, setzen andere Betriebe auf kleine Preise und dafür größere Mengen an Kundschaft – und machen dabei teilweise Umsätze, die sich mit denen von etablierten Restaurants messen können. Auch das Kaufhaus „GUM“ am Roten Platz in Moskau vermarktet erfolgreich seine sozialistische Vergangenheit.
Die Nostalgiewelle erfaßt daneben weitere Bereiche der Alltagskultur: spezielle Spartensender zeigen sowjetische Filme und Berichte etwa über den Weltraumflug Gagarins oder die Beerdigung Breschnejws. Großer Beliebtheit erfreut sich zur Zeit auch die Musik der 1980er Jahre. Im Internet werden erfolgreich sowjetische Propagandeplakate als Poster vertrieben. Und aus der Initiative dreier Freunde entstand ein Museum für alte sowjetische Spielautomaten am Rande Moskaus.
Einig sind sich alle im Artikel zitierten Stimmen, daß das Nostalgiephänomen sich nicht aus dem Wunsch speist, das alte System wiedersehen zu wollen. Der Psychologe Wadim Petrowskij spricht vom Streß, der den Wunsch wecke, sich wieder wie ein Kind fühlen zu können – und wenn diese Kindheit in den 1960er, 1970er oder 1980er Jahren stattfand, würde sie eben mit der Sowjetunion assoziiert. Demzufolge könnte sich auch die am Ende des Artikels angeführte Prognose bewahrheiten, derzufolge in nicht allzuferner Zukunft mit einer 90er-Jahre Mode zu rechnen sei.
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