Dienstag, 21. August 2007

Grosny - eine Stadt von Welt

Der russische Fernsehsender NTW berichtet vom "ambitionierten Plan", die tschetschenische Hauptstadt Grosny in eine "Stadt von Welt" zu verwandeln. Das Osteuropablog dokumentiert die Sendung und fasst den Kommentar auf deutsch zusammen.



Korrespondentin Fatima Dadaeva berichtet, daß es schon nach Mitternacht sei, aber auf den Straßen noch recht viel los sei. Während noch vor einigen Jahren ein Nachtleben in der Stadt praktisch unvorstellbar gewesen sei, gebe es jetzt sogar Nachtclubs. Und der gerade erst eröffnete Bowlingclub habe schon seinen ersten Stammgast. Allerdings handele es sich auch um den einzigen Bowlingclub der Stadt mit nur zwei Bahnen, Besucher müßten warten, um spielen zu können.

Als nächstes wird berichtet, daß es in Grosny nicht sehr viele Angebote nächtlicher Unterhaltung gebe. Während die Kinder Rollschuh liefen, würden sich die Älteren im Sommercafe treffen. Auch viele junge Frauen seien unter den Nachtschwärmern, die aber traditionell von verwandten Männern begleitet würden.

Schließlich geht es um die tschetschenische Biker-Szene und den Platz der Völkerfreundschaft, der sich zu ihrem nächtlichen Treffpunkt entwickelt habe. Es wird erwähnt, daß die Motorradfahrer für Ende August eine Fahrt nach Moskau planen. 

Und hier das Video mit komplettem russischsprachigem Text auf den Seiten von NTW.

Freitag, 17. August 2007

Wer im Glashaus sitzt...

Ein Einwohner der ukrainischen Hauptstadt Kiew hat sich so sehr über die regelmäßig am Strand des Dnjepr zurückgelassenen Glasflaschen geärgert, daß er schließlich eine neue Verwendung für sie fand: er benutzte sie, um ein Haus zu bauen. Zum Video geht es hier (auf englisch, unten auf der Seite).

Mittwoch, 15. August 2007

Hackfleisch, Sex und Borat – ein Ausflug in die Welt des estnischen Werbefilms der 80er

Wir sehen einen Fleischwolf Massen von Gehacktem ausspucken, dazwischen Nahaufnahmen von lebendigen Hühnern, die ob des ihnen bevorstehenden Schicksals etwas beunruhigt zu gucken scheinen und schließlich zwei lächelnde Frauen im Restaurant beim Verzehr der toten Tiere. Im Deutschland des Jahres 2007 könnte so eine Kampagne für den Vegetarismus aussehen, aber im Estland der 1980er Jahre war das ernstgemeinte Werbung für kanahakkliha – zu Deutsch Hühnerhackfleisch.

Über 80 Spots drehte Harry Egipt in den Jahren 1979 - 1992. Darunter war Werbung für so alltägliche Produkte wie Shampoo, aber auch für solche, die dem Durchschnittsbürger des damals noch sowjetischen Estlands unerreichbar scheinen mußten - Apfelsinen beispielsweise. Kampagnen gegen das Rauchen in der Schwangerschaft unterstützte Egipt ebenso wie Aufrufe an die Bauern, ihre Ernte an den Staat zu verkaufen. Und dann war da noch... kanahakkliha.



Nicht nur in Estland sind diese Filme inzwischen Kult. Auch die weltweite Internetgemeinde hat Egipts Werk für sich entdeckt. So wurde für das berühmt - berüchtigte "kanahakkliha" - Video bereits ein Remix-Wettbewerb durchgeführt.

Sex sells?

Wem das gehackte Hühnchen nicht gleich zu Beginn gründlich die Lust an der weiteren Beschäftigung mit Egipt verdorben hat, der kann in seinen Filmen einen ganz anderen Aspekt entdecken - den der teils subtilen, teils auch nicht mehr subtilen Erotik. Mit welcher Freizügigkeit im Estland der 80er Jahre nackte Haut zu sehen war, überrascht teilweise auch den heutigen Betrachter.

Doch in einem Online-Interview gibt sich Egipt auf die Frage eines Lesers von delfi.ee, ob "Sex Sells" immer noch seine Devise sei, zunächst ahnungslos. Er könne sich nicht daran erinnern, diese Devise jemals hervorgehoben zu haben. Wer am Strand spazierengehe und dort Menschen im Badeanzug antreffe, denke doch auch nicht, daß diese irgendetwas durch Sex verkaufen wollten. Und wenn diese Menschen im Badeanzug für die Werbung verewigt würden, könne man eher davon sprechen, daß der Film einige "sensualistische Elemente" benutze.

Auch der estnische Blogger Siim Teller plädiert dafür, einige Szenen aus Egipts Filmen mit einem unschuldigerem Blick zu betrachten: Dadurch, daß der gesellschaftliche Hintergrund vor 15 Jahren ein anderer gewesen sei und der Betrachter noch nicht durch die Pornoindustrie verdorben, habe eine am Eis schleckende junge Frau nicht zwangsläufig mit Oralsex assoziert werden müssen. Unabhängig von derlei Betrachtungen kursieren bei Youtube Montagen zweideutiger Szenen, die zumindest dem heutigen Zuschauer dann doch wieder eindeutig erscheinen.



Harry Egipt und Borat

Viele werden schon Szenen aus Egipts Werbung gesehen haben, ohne sich dessen bewusst zu sein. Denn der große Verwurster sämtlicher Klischees über Osteuropa, Zentralasien und überhaupt allem, was irgendwie im Osten liegt, hat sie für sich entdeckt. Die Rede ist von Sacha Cohen alias Borat. Die skurille Ästhetik estnischer Werbung der 80er Jahre schien wie gemacht, um sie in seinen Film zu integrieren. Und so fanden Ausschnitte daraus Einzug beispielsweise in das Video zur fiktiven Hymne Kasachstans bei Borat.



Schließlich noch die Auflösung zum Artikel vom Sonntag: Der Film, der so gut zum Bierthema zu passen schien, war in Wirklichkeit Werbung für Mineralwasser der Marke „Värska“. Immerhin stammt dieses Wasser aber aus der damals sogenannten "Tartuer Experimental-Brauerei", womit wir auch den Bogen zum Bierthema wieder geschlossen hätten.

Dienstag, 14. August 2007

Russischem Blogger droht Haft wegen Beleidigung der Polizei

"Bullen und Schläger - das ist dasselbe. Es wäre nicht schlecht, wenn untreue Polizisten regelmäßig auf dem Stefanovskij - Platz verbrannt würden." Diese Worte, veröffentlicht als Kommentar im Blog eines Journalisten könnten einen russischen Blogger und Musiker teuer zu stehen kommen - ihm drohen eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft.

Savva Terentjev lebt in Syktywkar, der Hauptstadt der Republik Komi im Norden Russlands. Er führt einen Blog, in dem er hauptsächlich von seinen musikalischen Vorlieben berichtet und seine Band "Durdom" als "die beste Ska-Punkgruppe der Republik Komi" bezeichnet. Die Vorgeschichte der ihm zu Last gelegten Äußerungen beschreibt gazeta.ru:  Danach begann alles im Dezember 2006, als Angehörige der Einheit "K" (für Computerkriminalität) des Innenministeriums von Komi die Redaktion der Zeitung "Iskra" durchsuchten und dort gefälschte Software entdeckten. Die anschließende Beschlagnahmung von sechs Festplatten sehen Mitarbeiter der Zeitung als Reaktion auf deren oppositionelle Ausrichtung und die Unterstützung eines für die herrschende Partei "ungünstigen" Kandidaten bei den Wahlen in der Republik an. Auf diesen Vorfall bezog sich ein Benutzer mit dem Namen "terentjev", als er im Blog des Journalisten Boris Suranov die oben zitierte Äußerung über das öffentliche Verbrennen von Polizisten schrieb.

Ein Strafverfahren gegen Terentjev wurde im März 2007 eingeleitet, nachdem sich ein Leser des Blogs über die Äußerung beschwert hatte. Angehörige der Einheit "K" führten am 16. März eine Hausdurchsuchung beim Blogger und Musikanten durch und beschlagnahmten Computer und Disketten. Der Vorwurf, der gegen ihn erhoben wurde, lautete auf "Schüren sozialer Zwietracht". Terentjev bestreitet diesen Vorwurf; er habe keinerlei Zwietracht schüren wollen, sagt er. 

Vier Monate brauchten die Behörden, um die Frage der Urheberschaft Terentjevs für den Kommentar zu klären. Eine erste Analyse durch eine Doktorin der Philologie ergab, daß der beanstandete Text weder einen Aufruf zu "sozialer Feindschaft" enthalte noch sein Verfasser zu ermitteln sei. Eine zweite Analyse durch vier lokale Wissenschaftler ergab dann in beiden Fragen das gegenteilige Resultat. Dabei stützen sich die Anschuldigungen unter anderem auf stilistische Auswertungen alter Schulaufsätze Terentjevs. 

Als der Musiker nach Ablauf eines Reiseverbotes zu einem Auftritt seiner Band nach St. Petersburg fahren wollte, wurde er zur Fahndung ausgeschrieben und aus dem Zug geholt, um ihm die Vorladung zum nächsten Verhör zu übergeben. Ihm drohen nun eine Geldstrafe von mindestens 200.000 Rubel (knapp 5.800 Euro) oder bis zu fünf Jahre Haft - die Anklage lautet auf "Erregung von Haß oder Feindschaft, gleichzeitig Erniedrigung der menschlichen Würde." 

Russlands Blogger reagieren verunsichert. So zitiert beispielsweise td_mtu_1500ag nur den Artikel von gazeta.ru über den Fall und kommentiert, er werde nur Filmrezensionen verfassen, da er nicht auf den Solowezki-Inseln enden wolle. 

Lettische Stadt verlegt Kriegerdenkmal

Wie postimees.ee berichtet, soll in der lettischen Stadt Bauska ein Gedenkstein, der an sowjetische Soldaten erinnert, vom Hauptplatz auf den Friedhof verlegt werden. Die Arbeiten dazu sind bereits seit dem 9. August im Gange und sollen noch bis zum 1. September andauern. Die Mehrheit der Einwohner unterstütze die Verlegung, teilte die Stadtverwaltung mit.

Montag, 13. August 2007

Pilze sammeln nur noch mit Erlaubnis



Das Parlament der russischen Republik Udmurtien rüttelt, wie Sergej Beljak schreibt, an einem Tabu, an das sich noch nicht einmal die sowjetische Führung gewagt habe: künftig sollen die Einwohner der Region eine Erlaubnis des Forstamtes benötigen, um Pilze, Beeren und andere Früchte des Waldes zu sammeln. Und auch in einer Gesellschaft, die sonst so manche Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte hinnimmt, regt sich Protest, wenn ihre heiligsten Traditionen angegriffen werden. Aus diesem Grund wurden ähnliche Pläne vor zwei Jahren fallengelassen. Jetzt sind sich die Mächtigen aber ihrer Sache offenbar so sicher, daß das unpopuläre Projekt trotz bevorstehender Wahlen in erster Lesung verabschiedet wurde. Ähnliche Regelungen gibt es in Rußland übrigens schon im Krasnojarsker Gebiet, wo für Beeren- und Pilzesammler Höchstmengen festgelegt wurden, bei deren Überschreitung eine Strafe droht.

Foto: Fastfood, „Steinpilz“

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Das Bild stammt aus der kostenlosen Bilddatenbank www.piqs.de

Sonntag, 12. August 2007

Grundgesetzpilsner - Teil II

Mit wohlwollendem Humor sollte man dem jüngst von der Brauerei A. Le Coq auf den Markt gebrachten "Grundgesetzpilsner" gegenüberstehen - finden jedenfalls über die Hälfte (gut 53 Prozent) der Teilnehmer einer Umfrage auf postimees.ee . Eine Verhöhnung der Verfassung wollten dagegen nur etwas mehr als 43 Prozent erkennen. Daß mit Bier tatsächlich die Verfassung dem einfachen Bürger näher gebracht werden kann, glauben unter 3 Prozent.

Der estnische Blogger Otto kommentiert, daß Estland wohl das einzige Land sei, in dem die Regierung versuche, eine Sperrstunde für den Verkauf von Alkohol einzuführen, gleichzeitig aber durch ein Ministerium eine Biermarke sponsore. Sepp dagegen findet, daß das Justizministerium dafür immerhin noch besser geeignet sei als die Krankenkasse.

Nicht um Bier geht es im Video unter diesem Beitrag, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag. Mehr über die Klassiker der estnischen Werbung gibt es in einigen Tagen hier im Osteuropablog zu lesen.


Samstag, 11. August 2007

Die Verfassung zum Trinken

Daß ein Land, dessen erste Unabhängigkeitsperiode gerade einmal 20 Jahre dauerte, den 15. Geburtstag seiner Verfassung mit größeren Feierlichkeiten würdigt, ist leicht zu verstehen. Und auch der Wunsch bei dem einen oder anderen Bürger dieses Landes, auf das Ereignis anzustoßen, löst noch kein Erstaunen aus. In Estland erregen sich die Gemüter zur Zeit allerdings an der Frage, ob man, bildlich gesprochen, nicht nur auf, sondern mit dem Grundgesetz anstoßen können sollte.

Das estnische Justizministerium sowie die Brauerei A. Le Coq aus Tartu haben sich etwas ganz besonderes für das Geburtstagskind einfallen lassen: aus Anlaß der Feierlichkeiten soll es für einen begrenzten Zeitraum von drei Monaten ein "Põhiseaduse Pilsner" - zu deutsch "Grundgesetzpilsner" - im Handel geben. Nach den Worten von Justizminister Rein Lang soll mit dieser Aktion der Bevölkerung die Verfassung näher gebracht werden.

Daß dies kein ganz unbegründetes Vorhaben ist, scheint eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "Faktum & Ariko" zu belegen. Danach kennt über die Hälfte der estnischen Bevölkerung ihr Grundgesetz kaum oder gar nicht. Und ihre Grundrechte, Freiheiten und Pflichten aufzuzählen wußten gerade einmal 11 Prozent der Befragten.

Doch sollten diese Werte wirklich über ein Bier zum Preis von umgerechnet ca. 50 Cent und mit einem Alkoholgehalt von 4,2 Prozent unters Volk gebracht werden? Janek Kalvi vom Alkoholprduzenten "Liviko" mochte zunächst nur an einen verspäteten Aprilscherz glauben. Nicht zum Lachen zumute ist auch dem größten Mitbewerber von A. Le Coq auf dem estnischen Biermarkt, der Brauerei Saku. In einer Pressemitteilung stellte sie sich auf den Standpunkt, daß die Verknüpfung eines staatlichen Feiertages mit einem Bier der "billigsten Kategorie" das heimische Brauereiwesen als Ganzes diskreditiere.

Evelyn Sepp, stellvertretende Vorsitzende der Grundgesetzkommission sowie Mitglied der oppositionellen Zentrumspartei (Keskerakond), spricht von einem Geschäft zwischen zwei Wirtschaftsvereinigungen: der A. Le Coq AG sowie der von ihr so bezweichneten "Reformpartei AG" von Justizminister Lang.  Die Werte der Verfassung, so Sepp, gehörten allen, deswegen dürften mit ihnen keine Geschäfte gemacht werden. Beim "Grundgesetzpilsner" handle es sich um "einen Verkauf der Grundwerte zum Rabattpreis, der aus der Republik Leergut macht". Scharfe Kritik kommt auch von der Jugendorganisation der Zentrumspartei, die Lang vorwirft, seine persönlichen Interessen sowie die seiner Partei höher zu bewerten als die Gesundheit des Volkes: Lang liberalisiere eine "überliberalisierte" Alkoholpolitik.

Solch eine Argumentation ist es wohl, die Cardo Remmel, Vorsitzener des estnischen Bierverbandes, im Auge hat, wenn er davon spricht, daß Alkoholproduzenten in Estland zu Feinden der Gesellschaft abgestempelt würden. Sogar die Erwähnung ihrer Namen in bestimmten Kontexten werde tabuisiert. Dabei gehörten sie zu den Zugpferden der estnischen Wirtschaft. Und überhaupt seien in allen entwickelten westlichen Gesellschaften die Logos von Biermarken beispielsweise auf den Trikots von Sportlern zu sehen.

Etwas humorvoller nimmt die ganze Debatte dagegen die Zeitschrift "Eesti Ekspress" und veröffentlicht ein "Pilsner Grundgesetz". Darin heißt es in Artikel 1: "Pilsner ist ein selbständiges und unabhängiges demokratisches Bier, der Träger seiner höchsten Gewalt ist der Biertrinker".

Quellen:

Eesti Päevaleht Online: Justiitsministeerium tähistab põhiseaduse aastapäeva uue pilsneriga

Postimees.ee: Üle poole eestlastest ei tunne põhiseadust

Eesti Päevaleht Online: Liviko juhti pani ministeeriumi õlletellimus üllatuma

Postimees.ee: Saku õlletehas: Pilsneriga ei sobi tähistada Eesti riigile tähtsaid sündmusi

Postimees.ee: Evelyn Sepp: Reformierakond peaks põhiseaduse õlle välja ostma ja hävitama

Postimees.ee: Kesknoored: lõpetage Eesti põhiseaduse mõnitamine

Postimees.ee: Remmel: põhiseaduse propageerimine õlle abil ei ole vale

Eesti Ekspress: Põhiseaduse Pilsner, Langi kange.. Kas riik peab varsti põhiseaduse trükkimiseks A le Coqilt luba küsima?